Montag, 15. April 2013

7.-14. April 2013 - Montañita

Montañita (Wikipedia Montañita) ist offenbar nicht nur für Touristen ein beliebtes Ziel; die Warteschlange, die wir am frühen Morgen im Busbahnhof von Guayaquil antreffen, füllt wahrscheinlich sämtliche fünf Verbindungen dieses Tages. Grund ist einerseits sicher das Wochenende, Montañita ist das Ausflugsziel der Region, sowie die ab morgen stattfindenden Ü35-Surfweltmeisterschaften. Ein guter Zeitpunkt also, um Montañita im "besten" Licht zu sehen! Aber wie gesagt, ob wir es heute überhaupt noch dorthin schaffen, ist bei dieser bereits wartenden Menschenmasse unklar. Während ich trotzdem mal anstehe, spricht mich ein Taxifahrer an: er würde uns für je 10$ (statt 6$ im Bus) an unser Ziel bringen. Es seien auch noch zwei andere, ecuadorianische Touristen (ein junges Pärchen) dabei. Ich überlege nicht lange und hole Patricia sowie unser Gepäck. Der Taxifahrer macht mir keinen allzu schlechten Eindruck (wirklich vertrauenswürdig sehen die ja sowieso nie aus). Während der Fahrt sucht Patricia aber allerlei Gründe, wieso wir demnächst entführt werden und malt sich aus, wie dies geschehen würde. Sie ist sich sicher, dass die zwei anderen Mitfahrer in Tat und Wahrheit Komplizen des Taxifahrers sind und man uns in irgendeinem abgelegenen Wald sämtliche Wertsachen abnehmen und uns dort zurücklassen werde. Auch für mich sind diese Gedanken sehr beruhigend ;-) Schlussendlich kommen wir aber sicher in Montañtia an. Im Hostel ist meine gestern abgeschickte Reservation noch nicht bearbeitet worden, am Wochenende arbeite niemand in der Administration...Aha. Ich bekomme aber glücklicherweise trotzdem ein Bett, das Hostel erinnert mich an eine Art südostasiatisches Bungalow-Dorf. Die Häusschen, meist Privatzimmer, sind um den Pool herum angesiedelt. So entsteht die Atmosphäre einer abgeschotteten Oase. So weit so gut. Es ist mittlerweile bereits Mittag, und wir nehmen im Städtchen ein Mittagessen ein. Alles überschattend ist Montañitas Atmosphäre eines Party- und Surferortes. Authenzität gleich null, aber Wunder nimmt es mich halt dennoch. Wegen der Surfmeisterschaften ist die Polizei allgegenwärtig, zu Ross, mit Velos und auch mit Quads sind sie ausgerüstet. Sobald dieser einwöchige Anlass vorbei ist, wird wieder kein einziger Polizist hier stationiert sein (auch Spital gibt es keines).

Montañita

Am Nachmittag ist es endlich an der Zeit, wieder einmal im Meer zu baden. Die Wellen sind in der Tat sehr eindrücklich.

Wellen


Mich hält nichts mehr am Strand, ich will mich ein bisschen im Meer austoben. Patricia bleibt am Strand. Es macht immer wieder Spass, sich in ein bis zwei Meter hohe Wellen zu werfen. Wer dies schon einmal gemacht hat, weiss, von was ich rede. Diese Personen wissen aber auch, wie anstrengend dies mit der Zeit wird. Nach einer halben Stunde werde ich müde und will das Meer verlassen. Das ständige Untertauchen kostet Energie, und die Wellen werden mir aufgrund der Ebbe zu hoch. Erstaunt stelle ich fest, dass es gar nicht so einfach ist, wieder zurück zum Strand zu kommen. Die Strömung ist zu stark, und die mich ständig unter die Wasseroberfläche drückenden Wellen lassen meine Kräfte viel zu schnell schwinden. Ich realisiere, dass ich es aus eigener Kraft unmöglich zurück an den Strand schaffen würde. Auch vier anderen Männern in unmittelbarer Nähe geht es gleich. Jetzt nur keine Panik, denke ich. Doch eine vernünftige Lösung für meine mittlerweile lebensbedrohliche Situation will mir einfach nicht einfallen. Ich beschränke mich einfach darauf, meinen Kopf über Wasser zu halten und nicht in eine energieverschwendende Panik auszubrechen. Dem einen Mann scheint es immer schlechter zu gehen, er kämpft mit seinem Auftrieb und wird sich nicht mehr lange selbständig über Wasser halten können. Ein Anderer aus seiner Gruppe macht das einzig Richtige und alarmiert mittels Wink- und Rufzeichen die Rettungsschwimmer. Wieso bin ich nicht darauf gekommen??? Eindrücklich wird mir in dieser Situation vor Augen geführt, wie schwierig es ist, in einer Ausnahmesituation noch klar zu denken. Die Rettungsschwimmer, am Strand hat es alle 100 Meter einen Hochsitz mit drei bis vier der Lebensretter, schwärmen sofort aus und sind dank ihren Flossen innert weniger Minuten bei uns. Die aus Baywatch bekannten, kleinen Boien sind auch dabei. Daran können wir uns festhalten, bis das Rettungsboot zu uns gelangt, um uns an den Strand zu bringen. Im Boot wird der vorher schon völlig entkräftete und völlig in Panik geratene Mann plötzlich bewusstlos. Ein Rettungsschwimmer ergreift sofort ein Handy und schreit "Wir brauchen sofort eine Ambulanz!" hinein. Nach zwei Minuten kommen wir am Strand an, der Bewusstlose wird aus dem Boot gehievt und bleibt am Boden liegen. Innert Sekunden rennt halb Montañita zu uns, und wir werden von mehreren hundert Gaffern umzingelt. Im Hintergrund sind bereits die Sirenen der Ambulanz- und Polizeifahrzeuge zu hören. Ich brauche keine ärztliche Hilfe und frage deshalb, ob ich gehen kann. Der ganze Rummel wird mir zu viel, und ich finde die Gaffer-Situation völlig abstossend. Patricia, die 50 Meter weiter weg die Sonne geniesst, hat von meiner Teilnahme an dieser Eskapade nichts mitbekommen und fragt mich bei meiner Rückkehr nur "Und, wie war das Meer?". Völlig entkräftet liege ich in den Sand und erzähle ihr, was passiert ist. Ich wäre zweifellos ertrunken, wenn diese Rettungsschwimmer nicht da gewesen wären oder uns gesehen hätten.

Die nächsten Tage, ich bleibe insgesamt eine Woche in Montañita, beschäftige ich mich vor allem mit dieser Tätigkeit:

Hängematten-Level: Experte


Einerseits sitzt mir der Schreck immer noch in den Knochen, andererseits hat in meinen Ohren verbleibendes Meerwasser zu einem so genannten Schwimmmerohr geführt, welches eine Gehörgangentzündung mit sich bringt. In der Apotheke finde ich zwar Tropfen dagegen, jedoch kann ich mich so nicht wieder ins Meer begeben. So nutze ich diese Woche, um einmal auszuspannen und mich von den letzten Monaten zu erholen. Zwar sind es Ferien, das ständige Reisen und vor allem die ständig wechselnden Betten tragen aber dazu bei, dass es zugleich auch relativ anstrengend ist.

Trotz allem ist es aber auch eine interessante Woche. Beispielsweise sehe ich an einem Morgen kurz nach dem Erwachen eine Kröte an mir vorbeihüpfen. Diese muss in unser Bungalow eingedrungen sein, als meine schwedische Dormpartnerin die Türe wieder einmal offengelassen hat. Die gleiche Schwedin hat an einem anderen Morgen übrigens auch einen halben Nervenzusammenbruch, als eine Dosis Kokain ihre Wirkung verliert und das Mädchen auf den harten Boden der Realität zurückholt. Überhaupt kann ich mich nur wenig mit den meisten anderen Hostelbewohnern (vor allem Schweizer und Deutsche), praktisch alle sind wie Patricia auch Sprachschüler, anfreunden. Die meisten sind entweder (vor allem emotional) wesentlich jünger oder sonst irgendwie auf die falsche Bahn geraten. Vom in seinen Augen unheimlich coolen Hippster über das verwöhnte und von den Eltern in allen Belangen gesponserte "Tüpfi" ist hier alles zu finden. Den Meisten geht es in diesem Urlaub vor allem darum: unter dem Deckmantel der Sprachschule jeden Abend Party zu feiern, am Strand herumzuliegen und gelegentlich Drogen zu nehmen. Ahja, und wenn man dann doch Spanisch lernen will, geht es eigentlich immer nur darum, wie man das andere Geschlecht abschleppen kann. Ich bin heilfroh, nicht hier meinen Sprachaufenthalt gemacht zu haben. Auch am Wochenende wird als Gruppe gekokst, und ich verspüre nicht den geringsten Reiz, daran teilzunehmen (Patricia natürlich auch nicht).

In Montañita wird auch ein intellektuelles Niveau vergebens gesucht. Der touristische Teil des Ortes besteht zum grössten Teil aus Hippies, welche "unserer Welt" irgendwann den Rücken zugewandt haben und sich jetzt mit dem Basteln und Verkauf von Armbändern und Halsketten irgendwie über Wasser halten. Hauptsache man hat Rastas, ist den ganzen Tag bekifft, sieht möglichst ungepflegt aus und trägt um Himmels Willen keine Schuhe! *Das Leben ist ja sooooo schööööön, und Krieg ist soooo doooooof.* Ernsthaft, wie kann man so ein Leben führen? Zum Glück ist dies jeder und jedem selbst überlassen. Dass die beiden vorhandenen Bankomaten nie funktionieren, ist hier irgendwie selbstverständlich. Kommerz interessiert ja eh keinen. Was mir aber gar nicht einleuchtet, ist, warum der Verkauf von Alkohol an Sonntagabenden offiziell (in Südamerika gibt es immer eine Möglichkeit für alles...) gesetzlich verboten ist.

Irgendwann werde ich unter Dusche noch von einer 2cm grossen Eidechse attackiert. Diese hat es sich irgendwie auf meiner Duschgel-Flasche gemütlich gemacht und wurde durch mein Betätigen des Kippverschlusses an meine Brust katapultiert. Irgendwann fällt sie runter in das Duschwasser und ihr droht der Ertrinkungstod. Ich will sie ja retten, doch das Vieh ist viel zu klein und flüchtet in totaler Panik vor mir - und ich verfolge es in der Duschkabine. Für einen Aussenstehenden muss dies völlig stupide aussehen. Irgendwann stellt sich die Eidechse tot, und mir gelingt es, sie am Schwanz zu ergreifen und aus der Dusche zu befördern.

Nach einer Woche habe ich genug von Montañita, am Montagmorgen verlasse ich den Ort in Richtung Cuenca. Das Hostel verlasse ich mit 25$ in meinem Portemonnaie, die Bankomaten sind mir nicht gestimmt...

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