Sonntag, 27. Januar 2013

21.-27. Januar 2013 - Halbzeit in Bogotá!

Genau an meinem Geburtstag habe ich die Halbzeit meines fünfwöchigen Sprachaufenthalts in Bogotá erreicht. An dieser Stelle nochmal ein Dankeschön für alle Nachrichten und Telefone! Auch diese Woche habe ich wieder fleissig Spanisch gelernt und bin trotzdem immer noch im Beginnerstadium. Es sieht so aus, also ob ich mich auf meiner Reise hauptsächlich mit Händen und Füssen verständigen muss. Aber irgendwie wird das schon gehen! Ansonsten war es eine ruhige Woche mit wenig Aussergwöhnlichem. Am Freitag wurde am Nachmittag ein BBQ veranstaltet, natürlich ereignete sich fünf Minuten vorher ein Wolkenbruch, nachdem es nun während drei Wochen schön war. So mussten wir anstatt im Garten in der Garage grillieren, was dazu führte, dass die ganze Schule nun einem Räucherhaus ähnelt, denn irgendjemand hat vergessen, die Türe zu schliessen.

Am Wochenende besuchten wir den Parque Simón Bolívar (Wikipedia Parque Simón Bolívar), welcher grösste Stadtpark der Welt! Dieser beinhaltet ein Areal für Konzerte, zwei kleine Seen und diverse Grünflächen.

Ausläufer des Sees, vom Haupteingang aus gesehen

Eine der zahlreichen, schattenspendenen Grünflächen

Andere Seite des Seeufers

Weiterer Ausläufer des Sees, hier können auch kleine Boote gemietet werden.

In der nächsten Woche werde ich noch die zahlreichen Museen besuchen, welche Bogotá zu bieten hat, sowie mir allmählich Gedanken über den unmittelbaren Reiseverlauf machen. Stay tuned!

Sonntag, 20. Januar 2013

19.-20. Januar 2013 - Camping im Parque Natural Chicaque

Samstag Morgen, 0900 Uhr. Ich schlafe friedlich.
*Klopf, klopf, klopf* Ich erwache unsanft.
"Marco, are you ready?"
"Ready, what for?!"
"For Camping! Jorge will be here in 20 minutes!"

Huh, habe ich was verpasst? Ich weiss zwar, dass wir dieses Wochenende in einen Nationalpark  gehen und dort Campen wollen, jedoch nichts Konkretes. Ich renne praktisch unter die Dusche und entgegne Nicolás (meinem Mitbewohner) offenbar noch "This is like the army all over again!". Innerhalb von 15 Minuten bin ich tatsächlich bereit, inklusive Packen (ja, es war sozusagen ein Granat- oder Prontoalarm, einzig das Gesicht habe ich mir nicht grün und braun angemalt). Also nochmals alles überprüfen: Taschenlampe, Sackmesser, Kleider, Schnur etc. Alles vorhanden! Bis Jorge auftaucht dauert es aber dann trotzdem noch über eine Stunde (war ja klar...). Bevor wir unsere Wohnung verlassen, mache ich Nicolás darauf aufmerksam, dass ich keinen Schlafsack habe. Kein Problem, meint er, ich könne eine seiner Decken benutzen. Auf meine Frage, ob es in diesem Nationalpark Mosquitos gebe, ernte ich nur einen Lacher. Es sei dort doch viel zu kühl! Gegen 11 Uhr fahren wir also in den Parque Natural Chicaque (Parque Natural Chicaque - Official Website), welcher etwa 90 Minuten südlich von Bogotá liegt. Dieser bietet neben Wandermöglichkeiten offensichtlich auch zwei Campingplätze, ein Restaurant und diverse Freizeitaktivitäten, wie beispielsweise einen Seilpark. Was ein Campingwochenende in Kolumbien von jenem in der Schweiz unterscheidet, ist die Verbundenheit mit der Natur. Geht man in der Schweiz meist an einen See, so besucht man in Kolumbien wie im Chicaque einen so genannten Cloud Forrest. Als wir dann endlich ankommen, erfahren wir, dass zum Campingplatz zuerst ein Marsch von einer guten Stunde absolviert werden muss. Für mich kein Problem! Für Jorge's Freundin, welche mit Ballerinas unterwegs ist hingegen eher, denn wir müssen den ganzen Wald auf einem Kopfsteinpfad durchqueren. Jorge will nebst seinem Zelt zwei aufblasbare Luftmatrazen mitnehmen, sowie aufklappbare Stühle. Irgendwie war ich mir das in den letzten zwei Jahren anders gewohnt, da hatten der Chemieschutz-Anzug und andere Dinge Priorität ;-) An die wirklich wichtigen Dinge wie Taschenlampe, Sackmesser und Schnur hat ausser mir aber niemand gedacht. Wir können ihn aber schlussendlich davon überzeugen, dass wir die Stühle vielleicht eher nicht mitnehmen sollten. Wir machen uns also auf den Weg, um diesen Campingplatz zu finden. Wir verteilen das ganze Gepäck auf uns alle, denn Jorge hat es vorgezogen, seine sieben Sachen in zwei Abfallsäcke zu packen (das Campen war übrigens seine Idee...). Nach 45 Minuten Marsch machen wir einen kurzen Bierstopp und trudeln kurz darauf auf dem Zeltplatz ein.

Campingplatz Parque National Chicaque

Der Platz liegt abgesehen vom nahegelegenen Restaurant mit sanitären Anlagen wirklich mitten in der Natur und beheimatet gleichzeitig die Pferde, welche als Transporttiere dienen. Wir schlagen unsere Zelte mit mehr oder weniger Mühe auf und richten uns ein. Da wir Bogotá verhältnissmässig sehr später verlassen haben, dunkelt es auch bald schon ein und es wird Zeit fürs Abendessen, welches im Restaurant eingenommen wird. Am späteren Abend folgt ein Lagerfeuer an zentraler Lage, welches die meisten Besucher anzieht. Zwei Musiker spielen mit Gitarren bekannte (kolumbianische) Musik, zusammen wird gesungen. Lagerfeuerstimmung pur! Relativ früh wird geschlafen, so dass man wenigstens den Sonntag noch voll ausnutzen kann. In der Nacht wird es sehr kalt und ich erfriere fast unter meinen zwei dünnen Decken. Alle anderen schlafen vorzüglich auf ihren Luftmatrazen und in ihren Schlafsäcken. Wieso habe ich mich auch auf die Kolumbianer verlassen ;-) Zum Thema Mosquitos sage ich nur so viel: Die zahlreichen Stiche am ganzen Körper werden auch eine Woche später noch sichtbar sein...

Am nächsten Morgen wollen wir den nahegelegenen Wasserfall besuchen, welcher circa 45 Minuten Fussmarsch entfernt ist.

Blick in Richtung des Tales

Technische Spielerei ;-)

Wir durchqueren wieder ein Stück Wald, gefolgt von kleineren Bächen.

Natur pur!
Mini-Wasserfall

Der Wasserfall selbst war jedoch eher enttäuschend. Nichtsdestotrotz hatte ich die völlig idiotische Idee, meinen Kopf darunter zu halten. Selbstverständlich wurde auch die ganze Kleidung in Mitleidenschaft gezogen, welche bei beinahe 100% Luftfeuchtigkeit natürlich extrem schnell trocknet...

Ja, ich war wirklich so blöd!

Nach einer kurzen Verschnaufpause gehen wir zurücks ins Zeltlager und nehmen das Mittagessen ein. Nach dem "Auschecken" bestellen wir ein Pferd, welches die Ausrüstung zum Parkplatz transportiert, denn der Rückweg geht ausschliesslich bergauf. Nach dem Abbrechen der Zelte und dem Beladen des Pferds machen wir uns auf den (ziemlich anstrengenden) Rückweg. Oben angekommen werden wir für die Anstrengenungen mit dieser atemberaubenden Aussicht belohnt!

Aussicht auf den Nationalpark

Technische Spielerei, die Zweite

Müde aber glücklich fahren wir zurück nach Bogotá. Ein weiteres gelungenes Wochenende neigt sich dem Ende zu!

Freitag, 18. Januar 2013

8.-18. Januar 2013 - Sprachschule und Alltag

Nachdem ich am Vorabend herausgefunden habe, wo meine Sprachschule eigentlich genau situiert ist (Resultat: fünf Gehminuten), mache ich mich auf den Weg, um meine erste Spanisch Lektion zu erhalten. Nachdem ich während fast zehn Jahren keine neue Sprache mehr erlernt, sondern "nur" bestehende Kenntnisse vertieft habe, treffen mich die Basics wie ein Schlag. Während einer Woche werden mir wie im Kindergarten Bilder von Gegenständen gezeigt, welche die spanische Bezeichnung als Titel enthalten. Aller Anfang ist nun mal schwer! Nachdem meine Lehrerin am Freitag der ersten Woche während der Kaffeepause gefeuert wurde, erhielt ich eine andere Lehrerin. Bis zum heutigen Tag waren es vier verschiedene Lehrpersonen, doch dies ist offenbar die Philosophie der Schule. Langsam kommt die Sprache zum Vorschein und ich entwickle ein gaaaanz leichtes Sprachgefühl. Obwohl ich einmal fast fliessend Französisch konnte, muss praktisch jedes neue Wort erlernt werden, da es nur selten mit dem Französischen in Verbindung steht. Trotz allem sehe ich aber gewisse Parallelen in der Grammatik, was den Lernprozess ab einem gewissen Punkt sicherlich vereinfacht. Es bleibt interessant! Am Samstagabend treffe ich mich mit Jorge und nehme gleichzeitig Leute aus der Sprachschule mit. Auch mein Vermieter/Mitbewohner Nicolás gesellt sich mit Bekannten dazu, so dass wir schlussendlich eine stattliche Runde sind. Nachtleben Colombia-Style!

Nebst der Sprachschule fand ich ausserdem Zeit, um mit den Schulkollegen/innen eine Fahrradtour durch den kolonialen Stadtteil La Candelaria (Wikipedia La Candelaria) zu machen und den Monserrate (Wikipedia Monserrate) zu besteigen mit der Standseilbahn zu erkunden, welcher eine einzigartige Aussicht auf Bogotá bietet. Dabei werden die schiere Grösse dieser gigantischen Stadt offensichtlich! Alles in allem ist der Monserrate aber doch sehr touristisch, und so gibt es mehr Souvenirgeschäfte als anderes. Lohnenswert ist dieser Ausflug aber trotzdem!

Blick auf (einen Teil) Bogotá(s)


Montag, 7. Januar 2013

4.-7. Januar 2013 - La Feria De Duitama

In den nächsten drei Tagen befindet sich Duitama im Ausnahmezustand. La Feria, das alljährliche Volksfest findet statt und stellt die ganze Stadt auf den Kopf. Zu vergleichen ist es etwa mit dem Münchner Oktoberfest. Nach dem Ausschlafen und Mittagessen wird mir zuerst eine kolumbianische Shopping Mall gezeigt. Sieht fast gleich aus wie in der Schweiz:

Kolumbianische Shopping Mall
Wir steigen wieder ins Auto und plötzlich werde ich mitten in der Stadt mit Jorges Onkel und dessen Frau konfrontiert, welcher anscheinend der Familienkomiker darstellt. Alles einsteigen! Innerhalb weniger Minuten finde ich mich in seiner Wohnung wieder und darf die bereits gekaufte Kleidung des zukünftigen Nachwuchses bewundern, welche mir stolz von seiner Frau präsentiert wird. Das erste Kind in der Familie seit 20 Jahren, Big Deal! Auch wenn beide kein Englisch sprechen, stellt dies offenbar kein Hinderungsgrund für ein paar Runden Aguardiente dar. Leicht angetrunken ziehen wir weiter, es geht in die Wohnung seines Cousins, welche zurzeit auch noch einen Cousin aus Bogotá beherbergt. Für einmal gibt es keinen Aguardiente, sondern wir gehen direkt in ein Lokal an der Hauptstrasse. Man will mir die verschiedenen Biersorten Kolumbiens zeigen. Irgendwann geht es nach einem kleinen Nachtessen ins Zentrum der Stadt, dort findet die richtige Party statt. Tausende tummeln sich auf dem grossen Platz, auf einer grossen Bühne wird Livemusik gespielt. Aguardiente wird für ein paar Franken im Tetrapack verkauft. Kurz gesagt: Ein Riesenfest, Trinken, alte Freunde treffen und neue finden! Ich werde diversen Kollegen/innen mit dem Nebensatz "El es suizo" vorgestellt. Leider können wiederum die Wenigsten Englisch, wobei die Quote unter den Jugendlichen im Vergleich zu den Ü30 höher ist. Erst in den frühen Morgenstunden gehen wir nach Hause.

Am nächsten Tag will mir Jorge die nähere Umgebung zeigen.

Eine typische Strasse in Duitama
Innenstadt von Duitama
Am nördlichen Stadtrand

Wir fahren weiter in Richtung Tunja, dem Hauptort des Departemento de Boyacá. Unterwegs halten wir am Lago Sochagota, welcher mit seinen Schilfufern und der malerischen Umgebung als Naherholungsgebiet dient.

Pedalo Station

Nach einer kurzen Pause machen wir uns auf, um die nahegelegene Hügelkette zu überqueren.

Aussicht von der "Passhöhe"
Verblüffende Ähnlichkeit zur Schweiz!

Als Nächstes besuchen wir das Monumento a los Lanceros, welches zu Ehren der gefallenen Krieger gebaut wurde, welche im Kampf um die Unabhängigkeit Kolumbiens gegen die Spanier gefallen sind. Wer mehr darüber erfahren möchte, kann das hier tun: Wikipedia Monumento de los Lanceros

Monumento de los Lanceros
Ja, wir waren wirklich da ;-)
Blick von der Aussichtsplattform

Nun ist es an der Zeit, wieder nach Hause zu gehen. Der Abend findet im gleichen Rahmen statt wie der vorherige, mit der Ausnahme, dass man sich zuerst inklusive Eltern, Onkel etc beim Stierkampfstadion trifft. Dort gibt es eine Art Festzelt mit Musik, welches während des ganzen Jahres betrieben wird. Aguardiente und Bier fliessen wieder in rauen Mengen. Anschliessend wird spontan ein Kleinbus, dessen Fahrer eigentlich nur seine Frau vom Fest abholen wollte, zu einem Partybus umfunktioniert, der die ganze Familie und noch andere Personen in die Stadtmitte fährt. Sogar für Jorge ist dies nicht ganz normal ;-) Unvergesslich ist es aber trotzdem.

Am nächsten Tag treffe ich nebst den Grosseltern noch weitere Familienangehörige und die etwa zwanzigköpfige Gruppe besucht am späten Nachmittag eine Openair-Ausstellung, welche die verschiedenen Baustile von ganz Boyacá anhand von echten Häuserblöcken in einem Dorf vereint. Abends zieht es die ganze Familie wieder in die Stadtmitte, um den letzten Abend des Festivals voll auszukosten.

Tags darauf ist die ganze Meute nochmals zum Mittagessen bei einem von Jorges Onkeln eingeladen, es gibt eine Riesenportion Rindfleisch mit Suppe. Als ich mich glücklich schätze, dass ich das ganze Ding bezwungen habe, wird eine ebenso grosse Portion Fisch serviert. Irgendwann muss ich mich geschlagen geben... Später am Nachmittag packen wir unsere Sachen und fahren um viele Erinnerungen und Eindrücke reicher zurück nach Bogotá. Mich fasziniert nach wie vor, wie schnell ich von der ganzen Familie ins Herz geschlossen wurde, obwohl ich mich mit den Wenigsten unterhalten konnte. Gleichzeitig bin ich dankbar für diese einmalige Gelegenheit, denn ein "normaler" Tourist wird so etwas wohl nie erleben. Spannende Tage enden!

Abschliessen möchte ich diesen Post mit einem Lied, welches mich während all den Tagen begleitet hat und derzeit in ganz Kolumbien rauf- und runtergespielt wird.



Donnerstag, 3. Januar 2013

3. Januar 2013 - Vamos a Duitama

In den nächsten fünf Tagen habe ich die einmalige Gelegenheit, einen Einblick in das kolumbianische Familienleben zu erhalten. Mein Freund Jorge Vargas lädt mich für diese Zeit in seine Heimatstadt Duitama ein. Kolumbien ist zurzeit noch im Ruhemodus, und nur die Wenigsten arbeiten. Wenn immer möglich, wird in der ersten Neujahrswoche die Familie besucht, und so tun wir es der Mehrheit gleich.

Nachdem ich um die Mittagszeit von Jorge mitsamt seinen Eltern abgeholt wurde, bringen wir zuerst seine Mutter an den Flughafen, damit diese per Flugzeug nach Cali reisen und ihre Familie besuchen kann. Obwohl sowohl weder Vater noch Mutter Englisch sprechen, werde ich sofort herzlich aufgenommen. Anschliessend fahren wir mit seinem Vater (ich sitze als Gast "selbstverständlich" auf dem bequemen Beifahrersitz) auf dem Rücksitz nach Duitama. Diese Stadt mit circa 100'000 Einwohnern ist Teil des Departemento de Boyacá (spr.: Boschaka) und liegt etwa 170 Kilometer nordöstlich von Bogotá. Das Hauptgeschäft der Stadt ist der Gütertransport. Wer mehr über Duitama erfahren möchte, klickt bitte hier: Wikipedia Duitama

Leider habe ich es versäumt, während der rund dreistündigen Fahrt Bilder zu machen. Wir passieren und überqueren Hügelketten, welche dem Jura sehr ähnlich sind; nur, alles ist so grün! Ich bin fasziniert von der Landschaft, dem kolumbianischen Fahrstil und dem Fakt, dass alle 500 Meter ein Militär mitsamt geladenem Sturmgewehr und Helm steht. Sollte einmal kein Soldat anzutreffen sein, steht ein Polizist da. Das Sicherheitsdispositiv Kolumbiens ist allgegenwärtig. Laut der Aussage meines Freundes soll dies dazu führen, dass sich die "Bad guys" auf der Strasse nicht sicher fühlen, was die allgemeine Sicherheit erhöht. Ich unterhalte mich rege mit Jorge über den Wandel Kolumbiens, den Drogenhandel und andere landestypische Dinge. Er erklärt mir den nationalen Konflikt zwischen der Regierung (inkl. Bevölkerung), den Paramilitärs und der FARC. Für das Land stehe es im Moment gut, sagt Jorge, denn die FARC seien im ganzen Land nicht mehr willkommen und regelrecht auf der Flucht. Sowieso sei Kolumbien aber nicht mehr das gleiche Land wie noch vor zehn oder sogar fünf Jahren. Er erklärt mir auch, dass viele Kolumbianer/innen jedoch überhaupt nicht gerne über diese Themen reden würden, da die Bevölkerung so lange unter der Situation und dem Drogenhandel gelitten hat. Das Ganze stimmt mich traurig, denn so etwas hat weder dieses wunderschöne Land noch die unglaublich freundliche Bevölkerung verdient. Was mich auch beschäftigt, ist die Differenz zwischen den einzelnen Gesellschaftsschichten. In Bogotá ist es möglich, 100 Meter neben einem wohlhabenden Viertel einen Slum anzutreffen. Wie er sich denn dabei fühle, frage ich Jorge. Die Antwort schockiert mich zwar zuerst ein bisschen, aber es ist wohl das Ehrlichste, was ich von einem Kolumbianer zu diesem Thema je hören werde; nach einer Weile kümmere einen die Armut nicht mehr wirklich, und man werde gewissermassen gleichgültig. Nach einer Denkpause kann ich ihn verstehen. Wir sind es uns in Europa nicht gewohnt, Armut zu sehen. Dies ist auch der Grund, weshalb sie uns so schockiert und uns zum Handeln drängt, sollten wir einmal direkt davor stehen. Wächst man aber mit der sozialen Ungerechtigkeit auf und wird tagtäglich damit konfrontiert, stumpft man irgendwann ab. Das Leben ist nicht fair und man gewöhnt sich besser daran...

Nach einer kurzweiligen Fahrt kommen wir bei Dunkelheit in Duitama an. Innerhalb von wenigen Minuten sind wir von Familienangehörigen umzingelt und ich werde neugierig begutachtet. Da jedoch (leider) niemand Englisch spricht, kann ich mich nicht mit ihnen unterhalten und beziehe mein Quartier in Jorges altem Zimmer (einmal mehr eine Selbstverständlichkeit, dass ich das grössere Zimmer und Bett erhalte und mein Freund in seinem eigenen Haus das Gästezimmer bezieht). Nach einer kurzen Dusche machen wir uns auf den Weg, um ein paar hundert Meter weiter zuerst einen Happen zu essen und anschliessend vier von Jorges Freunden in einer Bar mit Aussenbereich zu treffen. Auf dem Tisch stehen diverse Dosen Bier, ein paar kleine Wasserflaschen und eine Flasche Aguardiente. Dies ist der kolumbianische Nationalschnaps, welcher jedoch in jeder Region des Landes leicht variiert. Aguardiente ist mit Pastis zu vergleichen und schmeckt eigentlich grauenhaft. Er ist derart hässlich, dass man anschliessend einen grossen Schluck Bier oder Wasser trinkt, um den Nachgeschmack zu mindern. Getrunken wird er ausschliesslich in Shotform, jede Verkaufsstelle hält extra kleine Plastikbecher dafür bereit. Ich ergebe mich der nationalen Tradition und trinke ein paar Runden, bevor ich aufgrund der Müdigkeit einen Sicherheitsstopp einlege und zu Bier wechsle. Um Mitternacht gehen wir nach Hause, ein interessanter Tag geht zu Ende!

Mittwoch, 2. Januar 2013

2. Januar 2013 - Von Bankomaten, einem Stier und der englischen Sprache

Um circa 10 Uhr stehe ich mehr oder weniger erholt auf. Nach dem Konsultieren meiner Reiseführer und des Internets weiss ich nun ein wenig mehr über die Geografie der Stadt. Schliesslich basierten meine Ortskenntnisse bisher nur auf Google Maps, welche mir einen groben Überblick verschafften. Ich mache mich also mit meiner Bankkarte und einem Notgroschen von 50 US Dollar bewaffnet auf den Weg, um zuerst kolumbianisches Bargeld abzuheben und dann ein Taxi in die Innenstadt zu nehmen. Ich schaffe es, ohne Überfallen zu werden, zu einem Bankomaten. Dieser findet meine Idee, Geld abzuheben aber offenbar nicht so gut und sträubt sich daher. Dem Sicherheitsangestellten, welcher die zwei Bankomaten der Filliale bewacht, konnte ich mit Händen und Füssen klarmachen, dass ich ein Problem mit besagter Maschine habe. Nach einem zweiten Versuch, diesmal mit seiner Hilfe, geht immer noch nichts. Der Mann bringt mich ins Innere der kleinen Bankfilliale und verweist mich an die Angestellten. Doch auch diese sprechen, oh Wunder, kein Englisch. Nach einem mehrminütigen Versuch, welcher von einigen Lachanfällen beider Seiten mehrmals unterbrochen wurde, den Leuten klarzumachen, was mein Problem ist, werde ich schliesslich von einer Angestellten zu einer anderen Bank (!) begleitet. Die Dame überreicht mich an ihre Konkurrenz und verabschiedet sich von mir. Ich bin immer noch überrascht ob dieser Tat. Doch auch die Bankomaten dieser Bank wollen mein Vorhaben, Geld für ein Mittagessen zu bekommen, nicht unterstützen (es ist mittlerweile Mittag und ich habe mir bereits einen leichten Sonnenbrand geholt). Nachdem ich auch dort niemanden finde, der wirklich Englisch spricht, werde ich zur dritten Bank begleitet. Auch dort gibt es kein Geld. Nun ist mir klar, dass es nicht an den Bankomaten sondern nur an meiner Bankkarte liegen kann. "Glücklicherweise" hat meine Bank jedoch auch am 2. Januar noch nicht das Bedürfnis, die Hotline zu betreiben und so muss ich auf eine Alternative zurückgreifen und meine Kreditkarte verwenden. Das heisst, ich muss zu Fuss zurück in die Wohnung, ich habe ja kein Geld für ein Taxi, und dort meine Bankkarte gegen die Kreditkarte austauschen. Nur, wo war meine Wohnung nun genau? Ich laufe also in der brütenden Mittagshitze auf 2600 m ü. M. quer durch das ganze Quertier und versuche das Gebäude zu finden, welches offenbar wie alle anderen aussieht. Um das Ganze noch zu überbieten, werde ich auf halber Strecke auch noch von einem Stier verfolgt (Was zum Teufel macht ein Stier in Bogotá?!). Dieser wurde unterwegs aber zum Glück vom Besitzer wieder eingefangen (Vielen Dank!) und so kam ich irgendwann an mein Ziel.

In der Wohnung angekommen nehme ich meine Kreditkarte und gehe nochmals zum ersten Bankomaten. Und siehe da, es funktioniert! Mit einem dickeren Portemonaie suche ich ein Taxi. Logischerweise spricht aber auch dessen Fahrer kein Englisch, aber ich schaffes es irgendwie an den Plaza de Bolívar. Dieser liegt im Herzen des historischen Bogotá und ist unter anderem vom Kongresshaus sowie vom Palacio de Justicia umgeben. Auffallend sind die vielen Tauben, welche mit Maiskörnern gefüttert werden können. So erinnert das Ganze sehr an Mailand. Wer mehr über diesen wichtigen Ort in Bogotá erfahren möchte, kann dies unter folgendem Link tun: Wikipedia Plaza de Bolívar

Plaza de Bolívar

Anschliessend mache ich mich auf die Suche nach Essen und finde ein Restaurant, welches offenbar von der lokalen Bevölkerung rege besucht wird. Ein gutes Zeichen. Ich interpretiere die spanische Speisekarte und bestelle per Zeigefinger. Offenbar habe ich richtig gepokert, und erhalte tatsächlich das erhoffte Stück Fleisch. Zusammen mit zwei Runden an Getränken kostet mich das Mittagessen umgerechnet 5 Franken. Gestärkt verlasse ich das Lokal und flaniere noch ein bisschen in den unmittelbaren Strassen. Ich fühle mich absolut sicher. Bis jetzt hat noch niemand versucht mich zu bestehlen, ich werde lediglich regelmässig neugierig angestarrt. Obwohl ich nicht wie der klassisch hellhäutige Europäer aussehe, realisiert man doch, dass ich eigentlich nicht nach Kolumbien gehöre. Müde mache ich mich nach einer Stunde auf den Weg zurück nach Hause, welches ich auf Anhieb finde.

Nach ein paar Stunden Ruhezeit, mittlerweile ist es bereits dunkel, suche ich mir wieder ein Taxi und mache mich auf den Weg in die Zona T. Diese befindet sich in der berühmten Zona Rosa (Wikipedia Zona Rosa), welche die meisten gehobenen Restaurants, Bars, und Clubs enthält, sowie Geschäfte wie beispielsweise Hugo Boss oder Bulgari beherbergt. Sofort fällt mir auf, dass dies ein anderes Bogotá ist, als jenes, das ich bisher gesehen habe. Die Zona Rosa könnte genau so gut in Barcelona oder einer anderen südländischen Stadt stehen. Luxus und Kapital sind hier offenbar angesagt. Ich suche mir eines der unzähligen Restaurants aus und erhalte tatsächlich eine englische Speisekarte. Spätestens jetzt sind sämtliche Zweifel beseitigt, welche Gesellschaftsschicht sich in dieser Gegend aufhält. Auch falle ich hier nicht so sehr auf. Nach einem sehr guten Essen mache ich mich, immer noch von den sechs Stunden Zeitverschiebung gebeutelt, auf den Weg nach Hause, wo ich sehr schnell einschlafe.

Dienstag, 1. Januar 2013

1. Januar 2013 - Es geht los!

Jetzt ist es also so weit. Der D-Day wurde erfolgreich erreicht. Ich treffe in meinem Zimmer in Zürich die letzten Vorbereitungen, diese Wohnung werde ich erst in fünfeinhalb Monaten wieder sehen. Bis dahin geht es quer durch die nördliche Hälfte von Südamerika. Namentlich werde ich in Bogotá (Kolumbien) starten und dort nachher einer Woche Akklimatisierung zuerst einen fünfwöchigen Sprachkurs absolvieren. Anschliessend wird während circa sieben Wochen der Rest des Landes erkundet, welches vor allem in Amerika und Europa einen so schlechten Ruf geniesst. Nach Kolumbien folgen Ecuador und Peru, wo planmässig hauptsächlich Lima, das Amazonasgebiet und natürlich Machu Picchu auf dem Programm stehen. Alles andere ist aber noch ungewiss, eine halbjährige Reise soll man ja auch nicht bis ins Detail planen. Die restliche Zeit werde ich in Bolivien verbringen und schlussendlich Mitte Juni von La Paz nach Miami fliegen, wo ich mich noch während drei Tagen von den Reisestrapazen erholen werde, bevor es zurück in die, bis dann hoffentlich auch sommerliche, Schweiz geht.

Südamerika

Ein beträchtlicher Teil meiner Bekannten und Verwandten, welchen ich diese Reisepläne offenbarte, runzelten zumindest die Stirn. "Das ist aber mutig", war von den Abenteuerlustigsten zu hören. "Spinnst du eigentlich?!", war die Aussage am anderen Ende des Bandes. Schreckensbilder wurden mir ausgemalt, ich werde höchstwahrscheinlich entführt, verschleppt oder zumindest unter Drogen gesetzt und dann ausgeraubt. Naja, wir werden es ja sehen. Von solchen Aussagen lasse ich mich auf jeden Fall nicht abschrecken, kenne ich doch einige Leute in Kolumbien und Peru. Ihre Reaktion war eine überschwängliche Freude, jemandem das Land zeigen zu dürfen. Denn zumindest Kolumbien ist eher berüchtigt als berühmt und touristisch noch nicht wirklich erschlossen, was auf sehr authentische Erlebnisse hoffen lässt. Sicher müsse ich mich vorsichtig verhalten, meinten sie, doch es sei wie überall auf der Welt. Ich habe aber keine Zweifel, dass man mit einer gewissen Vorsicht, wie beispielsweise nicht mit einer gut sichtbaren, teuren Uhr durch ärmere Gegenden zu spazieren, schon mal gut fährt. Ausserdem muss man sich auf die Einheimischen verlassen, die werden es ja wohl wissen! Von Venezuela wurde mir beispielsweise abgeraten, was ich sehr ernst nehme.

05.00 Uhr, jetzt geht es definitiv los. Mein Vater fährt mich an den Flughafen, der Check-In verläuft dank Neujahr problemlos und ohne lange Wartezeiten. Ein kurzer und schmerzloser Abschied gefolgt von einem reibungslosen und pünktlichen Flug nach Madrid. Dort erwartet mich ein in die Jahre gekommener Airbus A340-600, welcher ebenfalls pünktlich abfliegt. Kurz gesagt, war es der schlimmste Langstreckenflug, den ich bis jetzt erlebt habe; in knapp 10 Stunden Flugzeit wurden eine nicht ganz lupenreine Version von Cannelloni und zwei staubtrockene Sandwiches serviert. Dazu gab es genau drei kleine Getränke, Mineralwasser war nicht in der Auswahl. Auch das Inflight Entertaining System war praktisch inexistent.

Kabine des Airbus A340...
Wir erreichen die Küste Venezuelas.

Wie auch immer, nach einem sehr schönen Anflug über die diversen Hügelketten landeten wir zumindest pünktlich in Bogotá auf über 2600 Meter über Meer. Nach einer problemlosen Einreise werde ich wie geplant abgeholt und in die Wohnung im Osten der Stadt gefahren, wo ich ein Zimmer miete. Die ersten zwei Tage werde ich alleine in Bogotá sein, bevor ich mit einem kolumbianischen Freund, Jorge Vargas, welchen ich in Manchester kennengelernt habe, für vier Tage in seine Heimatstadt Duitama gehe. Doch zuerst heisst es jetzt Auspacken und noch die unvergessliche Aussicht auf die kolumbianische Hauptstadt geniessen, bevor es nach knapp 22 Stunden Reisezeit ins Bett geht. Bogotá ist schliesslich auch morgen noch da, und ich will mich nicht leichtsinnig einem Risiko aussetzen.

Erste Aussicht auf Bogotá

....und eine gute Stunde später