6'500. So viele Menschen wurden in
Medellín (
Wikipedia Medellín) im Jahre 1991 ermordet (
Quelle). Obwohl "nur" eine Zahl, steht sie doch für vieles mehr in der einst gefährlichsten Stadt der Welt während dieser schwierigen Zeit Kolumbiens. Sie steht für die Drogen-Mafia, welche durch deren wahrscheinlich prominentesten Vertreter aller Zeiten, Pablo Escobar (
Wikipedia Pablo Escobar), nach
Medellín gebracht wurde und so faktisch die Stadt übernommen hat. Andererseits steht sie für Angst, da man niemals sicher sein konnte, den Tag zu überleben. Das permanente Risiko eines Terror-Anschlags, Korruption und Armut sind weitere Begriffe, welche
Medellín, aber auch ganz Kolumbien, in diesem Jahrzehnt prägten. Kolumbien war die Hölle auf Erden und
Medellín war sein Zentrum.
Heute, im Jahre 2013, ist
Medellín (übrigens "Medetschin" ausgesprochen) das wirtschaftliche und ideologische Zentrum des Landes und wurde im letzten Jahr zur "most innovative city in 2012" ernannt (
Quelle). Zugleich ist die Stadt auch (international) für ihre schönen Frauen bekannt. Deren Schönheit wird oftmals auch mittels plastischer Chirurgie nachgeholfen, und so besitzt
Medellín den auch Spitznamen "Plastic Capital". Die Bewohner des
Departemento de Antioquia (
Wikipedia Antioquia), die
Paisas, gelten als hart arbeitende und sehr stolze Menschen. Sie stammen von den spanischen Juden und Basken ab, welche in der Hoffnung auf Schutz vor politischen Verfolgungen nach der spanischen Invasion diesen Teil Kolumbiens erkundeten und bewirtschafteten und so eine Dynastie aufbauten, welche bald über Kolumbiens bedeutendste Industrie und sogar eine Eisenbahn verfügen würde. Dieser Stolz ist zugleich aber auch der Grund, wieso man die
Paisas in Kolumbien
eigentlich nicht wirklich magt. Man legt ihnen eine gewisse Arroganz und das Denken, besser als der Rest zu sein und härter zu arbeiten, nahe. Gleichzeitig bewundert man
Medellín aber auch für den vollzogenen Wandel in den letzten 20 Jahren und die Infrastruktur der Stadt. Das exzellente Transportsystem ist der Hauptgrund für die oben genannte Auszeichnung. Die Stadt liegt in einem Tal und entlang der Hügel befinden sich sozial und finanziell schlechter gestellte Quartiere (sprich Armenviertel), welche unter der Isolation litten. Deshalb hat man sich dazu entschlossen, die Slums mittels zwei Seilbahnen an die Metro, welche in der Talsohle verkehrt, anzubinden.
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| Aussicht aus der Seilbahn: Im Vordergrund die Slums, im Hintergrund das (wesentlich reichere) Stadtzentrum |
Die Metro selbst, eine Art S-Bahn, welche ausschliesslich oberirdisch verkehrt, verfügt über zwei Linien und verbindet das eigentliche Stadtzentrum mit den nahegelegenen Quartieren. Der Bau dieses Seilbahnsystems, welches Teil des öffentlichen Verkehrs ist, hat entscheidend zum Gemeintschafts-Gefühl der Stadt und somit zur Verbesserung des sozialen Friedens beigetragen. Die Metro ist übrigens der Stolz
Medellíns, das modernste Transportsystem Kolumbiens, und dementsprechend gibt sich auch jede und jeder Mühe die ganze Sache sauber zu behalten!
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| Metro-Station |
Desweiteren realisierte man während Kolumbiens schlimmsten Zeiten, dass die mangelhafte Bildung der Bevölkerung massiv dazu beiträgt, dass man sich einer kriminellen Organisation anschliesst. Gleichzeitig wusste man aber auch, dass die starke Verbundenheit mit der Religion der Bildung teileweise im Wege steht. Aus diesem Grund wurden diverse Bildungseinrichtungen errichtet, welche
bewusst grösser und pompöser waren als die katholischen Kirchen. Man wollte damit das Zeichen setzen, dass die Religion für die Bevölkerung zwar einen hohen Stellenwert haben soll, aber trotzdem erst
nach der Bildung kommen darf. Zum gleichen Plan gehörte auch das Vorhaben, wiederum möglichst grosse und gut sichtbare Bildungseinrichtungen in Armenvierteln zu bauen. Motto: Bildung für jedermann! So auch die
Biblioteca España im Armenviertel
Santo Domingo (per Seilbahn erreichbar):
Zugegeben, wirklich sicher habe ich mich dort als "millionenschwerer" Tourist nicht gefühlt und viele Kolumbianer haben die Stirn gerunzelt, als ich ihnen von meinem Aufenthalt in
Santo Domingo erzählt habe... Allgemein würde man
Medellín durch eine rosa Brille betrachten, wenn man behauptete, dass die Stadt heute frei von Kriminalität ist. Nach wie vor gibt es Quartiere, in welchen praktisch jede Nacht Schiessereien stattfinden (dasselbe gilt auch für
Bogotá) und Menschen ermordet werden. Auch heute noch ist die Zahl der Tötungsdelikte haarsträubend hoch. Der springende Punkt ist jedoch, dass sich kriminelle Aktivitäten weitgehend in vom Stadtzentrum entferntere Viertel verlagert haben und die wohlhabenden Quartiere mittlerweile (fast) frei davon sind. Trotzdem wurde mein Hostel, welches im wohlhabendsten und sichersten Quartier der Stadt liegt, im letzten Dezember nachts von bewaffneten Männern überfallen und ausgeraubt. Zwei Wochen vor meinem Aufenthalt wurde einem Reisenden um drei Uhr morgens in einem Park (selbst schuld...) die Brieftasche abgenommen. Shit happens! Der Korrektheit halber muss man aber auch anmerken, dass es seit der Wirtschaftskrise beispielsweise auch in den USA Städte gibt, welche nicht mehr ganz lupenrein sind (
Detroit). Nichtsdestotrotz kann ich aber guten Gewissens sagen, dass ich mich in
Medellín, mit einem normalen Lebensstil, nie unsicher gefühlt habe. So lange man sich der Umstände bewusst ist und das Risiko nicht sucht, würde ich
Medellín als sehr sicher einstufen.
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| El Poblado, Quartier meines Hostels |
Nach ein paar Tagen Aufenthalt nehme ich an einer
Free Walking Tour teil. Das Prinzip besteht darin, dass die Tour grundsätzlich gratis ist und man am Schluss mittels eines Trinkgeldes so viel bezahlt, wie es einem Wert gewesen ist. Pablo, der Guide, erzählt uns viele interessante Dinge und Hintergrundgeschichten Kolumbiens. Besonders interessant finde ich diesen Platz:
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| Von einer Bombe zerstörte Botero-Skulptur |
Die rechte Skulptur wurde vor circa zwanzig Jahren bei einem Bombenanschlag zerstört, 27 Menschen, vor allem Kinder, kamen dabei ums Leben. Die Regierung entschied sich, die Skulptur zu ersetzen und die alte zu entfernen. Botero weigerte sich aber und insistierte, dass auch die verbombte Skulptur als Mahnmal weiterhin bestehen müsse.
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| Strassenleben |
Irgendwann reicht es auch für einen Besuch des Museo de Antioquia (
Wikipedia Museo de Antioquia), welches vor allem für seine Botero-Ausstelung bekannt ist.
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| Jetzt wissen wirs endlich! |
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| Boteros Interpretation von Pablo Escobars Tod |
Auch ein Besuch von
Guatapé (
Wikipedia Guatapé) steht auf dem Programm. Dieser Ort ist noch relativ jung und wurde errichtet, als man die ganze Region zu Gunsten eines Staudamms zur Stromproduktion flutete.
Guatapé ist ein bekanntes Wochenendziel kolumbianischer Touristen und bekannt für seine farbigen Häuser.
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| Besteigt man diesen Felsen... |
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| ...wird man mit dieser Aussicht belohnt! |
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| Guatapé |
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| Da ich nicht am Wochenende da bin, ist es ziemlich verlassen. |
Das Wochenende verbringe ich bei einer Kollegin im nahegelegenen Städtchen
Rionegro (
Wikipedia Rionegro). Ausser ihr spricht die ganze Familie kein Englisch und so ist es wieder einmal Zeit, Spanisch zu sprechen. Mir werden alle möglichen Fragen über die Schweiz gestellt. Man weiss zwar, dass wir das Paradies auf Erden sind, jedoch weiss niemand, wo die Schweiz denn genau liegt!
Nach dem besagten Wochenende erreicht mich eine Nachricht meiner spanischen Kollegin, welche ich am nächsten Wochenende in
Barranquilla besuchen will. Sie muss noch länger in der Dominikanischen Republik bleiben. Also gilt es, einen neuen Schlachtplan auf die Beine zu stellen. Ich nutze das frei gewordene Wochenende, um ein paar Freunde in
Bogotá zu besuchen und fliege anschliessend von dort nach
Cali. Von der drittgrössten Stadt Kolumbiens aus werde ich den Süden des Landes erkunden und anschliessend meine Kollegin in
Pereira, in der Kaffee Zone, welche zwischen
Cali und
Medellín liegt, an Ostern treffen. Von
Pereira aus nehme ich am Ostersonntag den Bus nach
Medellín und fliege von dort aus nach
Quito, Ecuador.
Am Freitag fliege ich also nach
Bogotá und lasse
Medellín vorerst hinter mir. Eine faszinierende Stadt, in der ich ohne Zweifel leben könnte. Ich freue mich auf ein Wiedersehen!
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