Freitag, 29. März 2013

25.-28. März 2013 - Warten in Pereira

Was soll ich über Pereira (Wikipedia Pereira) schreiben? Die Stadt mit gut 500'000 Einwohnern ist die grösste in der Zona cafetera und dementsprechend auf Ökonomie getrimmt. Viel zu sehen gibt es nicht, doch kann hier das typische "kolumbianische Leben" beobachtet werden.

Typische Strasse in Pereira

Eigentlich bin ich aber ja auch nur hier, um auf meine spanische Kollegin zu warten, welche am Donnerstag hier eintreffen wird. Das bekannteste Wahrzeichen Pereiras ist der "nackte Bolívar":

Statue des nackten "Simon Bolívar"

Am zweiten Tag mache ich einen Ausflug in den nahegelegenen Ort Marsella (Wikipedia Marsella). Dieser ist für seinen Charme und die alte Architektur bekannt. Der Weg dahin führt während rund einer Stunde durch Kaffee-Plantagen (Bilder machen konnte ich wegen den schmutzigen Scheiben und der schlechten Strasse leider keine).

Irgendwie verlassen...

Der Hauptplatz...

...mit der dazugehörenden Kirche

Kaffee!


Busbahnhof

Für weitere philosophische Ergüsse bin ich momentan nicht zu haben. Stay tuned!

Dienstag, 26. März 2013

23.-24. März 2013 - Popayán

Es ist also Zeit, um aus Cali zu verschwinden. Doch was habe ich überhaupt für Optionen? Am nächsten Donnerstag muss ich in Pereira sein, um dort meine Kollegin zu treffen. Die Region zwischen Cali und Medellín fällt also weg. Desweiteren gäbe es noch den Süden zu sehen; sprich das rund drei Stunden entfernte Städtchen Popayán (Wikipedia Popayán) sowie die grössere Stadt Pasto (Wikipedia Pasto), welche aber etwa zehn Stunden entfernt liegt und sich schon relativ nahe der ecuadorianischen Grenze befindet. Dies ist mir zumindest zum jetzigen Zeitpunkt zu lange, und so entscheide ich mich für Popayán.

Popayán ist der Hauptort des Departemento del Cauca und, nicht zuletzt dank der renomierten Universität, ein wichtiges politisches und kulturelles Zentrum Kolumbiens. Weiter ist das Städtchen für seine koloniale Architektur bekannt, welche aber bei einem Erdbeben im Jahr 1983 in weiten Teilen schwer beschädigt wurde. Mittlerweile wurde aber vieles wiederhergestellt, auch wenn regelmässig Ruinen zu sehen sind.

So mache ich mich also im bisher unbequemsten Collectivo aller Zeiten auf den Weg nach Popayán und sehe mir das beschauliche Städtchen an:



Menschenleer...



Die meisten dieser historischen Gebäude gehören einer Bank.




Marktvorbereitungen

Eine der unzähligen Kirchen
Es gäbe noch die Möglichkeit, einen nicht allzu weit entfernten Vulkan zu besichtigen. Da ich auf dies aber nicht wirklich Lust habe und man auch Popayán irgendwann gesesehen hat, zieht es mich am nächsten Morgen bereits weiter nach Pereira in die Kaffee Zone!

PS: Falls jemand Schreibfehler in meinen Texten finden sollte, bitte mir mitteilen! Danke.

Montag, 25. März 2013

19.-22. März 2013 - Cali, die Hektische

"Cali is Colombia right in your face."

So drückt es der Lonely Planet aus - und wie recht er doch damit hat! Heiss, hektisch und ein kleines bisschen gefährlich. Cali (Wikipedia Cali) ist Kolumbiens drittgrösste Stadt und beheimtatet rund 2.5 Millionen Menschen. Die Welthauptstadt des Salsa, des lateinamerikanischen Tanz- und Musikstils, lässt im wahrsten Sinne des Wortes keinen kalt. Zu hektisch ist das emsige Treiben in der ganzen Stadt, zu sehen gibt in touristischer Hinsicht aber relativ wenig. Dafür ist Cali die wahrscheinlich representativste Grossstadt Kolumbiens und entspricht ziemlich genau den Vorstellungen, welche ich vor meiner Ankunft in Kolumbien hatte.

Ehrlich gesagt sind es eher ruhige fünf Tage, welche ich hier verbringe. Zu hektisch ist die Atmosphäre für mich, um ihr den ganzen Tag ausgesetzt zu sein. Zu heiss ist es, um mich von meiner Hängematte im Garten des Hostels zu trennen. Wenn das Thermometer einmal nicht an der 30-Grad Grenze kratzt, regnet es sintflutartig. Leider bekommt dies auch mein Bett im Schlafsaal zu spüren, das Dach ist nicht ganz dicht. Der schweizer Hostelinhaber verspricht mir zwar, das Problem so schnell wie möglich beheben zu lassen, aber wir wissen ja beide, wo wir sind. Kolumbien halt! Also tue ich mir selber einen Gefallen und gönne mir für den Rest meines Aufenthalts ein Einzelzimmer. Mittlerweile ist es bereits ein komisches Gefühl, nachts einen ganzen Raum für sich alleine zu haben und ihn nicht mit wildfremden Menschen zu teilen. Wie im Militär ;-)

Nebst mehreren Stadspaziergängen und dem Besuch des Zoos unternehme ich für einmal rein gar nichts. Irgendwie ist die Luft bei mir langsam draussen und nachdem ich nun bereits über fünf Wochen in Kolumbien auf Achse bin, legt sich die freudige Aufregung auf neue Orte ein wenig. Meist bestehen die Sehenswürdigkeiten aus gigantischen Kathedralen und Museen aus Zeiten vor der spanischen Eroberung. Obwohl mir das Entdecken einer neuen Stadt nach wie vor viel Spass bereitet, konzentriere ich mich mittlerweile mehr auf die Atmosphäre und das Beobachten der Bevölkerung, als auf das Abklappern von touristischen Sehenswürdigkeiten. Ich bin aber zuversichtlich, dass ich mit der Einreise in ein neues Land wieder ein wenig Wind in die Segel kriege!

Plaza de Caicedo
Cali Streetlife

Theater
Habe ich schon erwähnt, wie hektisch es in der Stadt zu und her geht?
Ihr ist es anscheinend nicht zu heiss...

...ihnen aber schon!

What's up?

Wie gesagt, mehr gibt es bildtechnisch nicht zu zeigen, und das permanente Gewusel in der Stadt ist schwer zu beschreiben.

In den Ausgang bin ich lediglich am ersten Abend mit einer Gruppe Engländer gegangen. Als wir, vor allem mein blonder Kollege, dort aber von sämtlichen Kellnerinnen begrabscht bezirzt werden, damit wir auch ganz sicher ihr Lokal und kein anderes betreten, verliere zumindest ich ein bisschen das Interesse am Nachtleben. Als wir am nächsten Abend eine Gruppe Architektur-Studenten aus Bogotá treffen, welche hier eine Fallstudie über Städteplanung absolvieren (müssen), ist das Programm der nächsten Abende besiegelt; man bleibt im Hostel und betrinkt sich verbringt eine gemütliche Zeit.

Am Freitag merke ich, dass ich langsam träge werde und das Hostel gar nicht mehr verlassen möchte. Höchste Zeit also, um am nächsten Tag zu verschwinden!

Dienstag, 19. März 2013

16.-18. März 2013 - Wiedersehen mit Bogotá

Es ist also wieder einmal soweit. Nach einem sensationell kurzen Flug von nur 27 Minuten lande ich in Bogotá. Dann gehts per Taxi direkt in "mein altes Heim", wo ich die Couch beziehe. Noch bin ich alleine da, doch bald trifft meine amerikanische "Nachfolgerin", welche mein altes Zimmer mietet, ein. Wir merken, dass wir tatsächlich die gleiche Spanisch-Lehrerin haben beziehungsweise gehabt haben. Dies ist umso erstaunlicher, als dass sie nach meiner Abreise die Stelle gewechselt hat und somit an einer anderen Schule unterrichtet! Wie klein die Welt doch ist...

Eigentlich ist es ein eher ruhiges Wochenende, da ich abgesehen von ein oder zwei Stadtspaziergängen nichts unternehme. Ich habe ja schliesslich sechs Wochen hier gelebt und kenne die Stadt also schon. Abends treffe ich jeweils alte Freunde und wir gehen aus.

Allgemein sehe ich Bogotá während meines zweiten Aufenthalts in einem anderen Licht. Die Regenzeit schlägt voll zu, und so ist die Stadt während meines zweiten Aufenthalts praktisch einem Dauerregen ausgesetzt. Es ist für Kolumbien schweinekalt. Die Stadt erscheint mir, nachdem ich die Vorzeigestadt Medellín und andere Gebiete Kolumbiens gesehen habe, plötzlich nicht mehr so paradiesisch. Es fällt mir mittlerweile auf, wie schmutzig die Strassen sind, wie verhältnismässig unfreundlich die Leute sind und wie die ganze Stadt scheinbar einem Chaos verfallen ist.

Trotzdem geniesse ich dieses Wochenende in vollen Zügen. Nach nur 3.5 Tagen entschwinde ich aber bereits nach Cali und so wird es Zeit, mich endgültig von meinen in Bogotá lebenden Freunden zu verabschieden... Machts gut und vielen Dank für die Gastfreundschaft!

Freitag, 15. März 2013

5.-15. März 2013 - Medellín, the only risk is wanting to stay!

6'500. So viele Menschen wurden in Medellín (Wikipedia Medellín) im Jahre 1991 ermordet (Quelle). Obwohl "nur" eine Zahl, steht sie doch für vieles mehr in der einst gefährlichsten Stadt der Welt während dieser schwierigen Zeit Kolumbiens. Sie steht für die Drogen-Mafia, welche durch deren wahrscheinlich prominentesten Vertreter aller Zeiten, Pablo Escobar (Wikipedia Pablo Escobar), nach Medellín gebracht wurde und so faktisch die Stadt übernommen hat. Andererseits steht sie für Angst, da man niemals sicher sein konnte, den Tag zu überleben. Das permanente Risiko eines Terror-Anschlags, Korruption und Armut sind weitere Begriffe, welche Medellín, aber auch ganz Kolumbien, in diesem Jahrzehnt prägten. Kolumbien war die Hölle auf Erden und Medellín war sein Zentrum.

Heute, im Jahre 2013, ist Medellín (übrigens "Medetschin" ausgesprochen) das wirtschaftliche und ideologische Zentrum des Landes und wurde im letzten Jahr zur "most innovative city in 2012" ernannt (Quelle). Zugleich ist die Stadt auch (international) für ihre schönen Frauen bekannt. Deren Schönheit wird oftmals auch mittels plastischer Chirurgie nachgeholfen, und so besitzt Medellín den auch Spitznamen "Plastic Capital". Die Bewohner des Departemento de Antioquia (Wikipedia Antioquia), die Paisas, gelten als hart arbeitende und sehr stolze Menschen. Sie stammen von den spanischen Juden und Basken ab, welche in der Hoffnung auf Schutz vor politischen Verfolgungen nach der spanischen Invasion diesen Teil Kolumbiens erkundeten und bewirtschafteten und so eine Dynastie aufbauten, welche bald über Kolumbiens bedeutendste Industrie und sogar eine Eisenbahn verfügen würde. Dieser Stolz ist zugleich aber auch der Grund, wieso man die Paisas in Kolumbien eigentlich nicht wirklich magt. Man legt ihnen eine gewisse Arroganz und das Denken, besser als der Rest zu sein und härter zu arbeiten, nahe. Gleichzeitig bewundert man Medellín aber auch für den vollzogenen Wandel in den letzten 20 Jahren und die Infrastruktur der Stadt. Das exzellente Transportsystem ist der Hauptgrund für die oben genannte Auszeichnung. Die Stadt liegt in einem Tal und entlang der Hügel befinden sich sozial und finanziell schlechter gestellte Quartiere (sprich Armenviertel), welche unter der Isolation litten. Deshalb hat man sich dazu entschlossen, die Slums mittels zwei Seilbahnen an die Metro, welche in der Talsohle verkehrt, anzubinden.

Aussicht aus der Seilbahn: Im Vordergrund die Slums, im Hintergrund das (wesentlich reichere) Stadtzentrum

Die Metro selbst, eine Art S-Bahn, welche ausschliesslich oberirdisch verkehrt, verfügt über zwei Linien und verbindet das eigentliche Stadtzentrum mit den nahegelegenen Quartieren. Der Bau dieses Seilbahnsystems, welches Teil des öffentlichen Verkehrs ist, hat entscheidend zum Gemeintschafts-Gefühl der Stadt und somit zur Verbesserung des sozialen Friedens beigetragen. Die Metro ist übrigens der Stolz Medellíns, das modernste Transportsystem Kolumbiens, und dementsprechend gibt sich auch jede und jeder Mühe die ganze Sache sauber zu behalten!

Metro-Station

Desweiteren realisierte man während Kolumbiens schlimmsten Zeiten, dass die mangelhafte Bildung der Bevölkerung massiv dazu beiträgt, dass man sich einer kriminellen Organisation anschliesst. Gleichzeitig wusste man aber auch, dass die starke Verbundenheit mit der Religion der Bildung teileweise im Wege steht. Aus diesem Grund wurden diverse Bildungseinrichtungen errichtet, welche bewusst grösser und pompöser waren als die katholischen Kirchen. Man wollte damit das Zeichen setzen, dass die Religion für die Bevölkerung zwar einen hohen Stellenwert haben soll, aber trotzdem erst nach der Bildung kommen darf. Zum gleichen Plan gehörte auch das Vorhaben, wiederum möglichst grosse und gut sichtbare Bildungseinrichtungen in Armenvierteln zu bauen. Motto: Bildung für jedermann! So auch die Biblioteca España im Armenviertel Santo Domingo (per Seilbahn erreichbar):

Biblioteca España (Quelle)

Zugegeben, wirklich sicher habe ich mich dort als "millionenschwerer" Tourist nicht gefühlt und viele Kolumbianer haben die Stirn gerunzelt, als ich ihnen von meinem Aufenthalt in Santo Domingo erzählt habe... Allgemein würde man Medellín durch eine rosa Brille betrachten, wenn man behauptete, dass die Stadt heute frei von Kriminalität ist. Nach wie vor gibt es Quartiere, in welchen praktisch jede Nacht Schiessereien stattfinden (dasselbe gilt auch für Bogotá) und Menschen ermordet werden. Auch heute noch ist die Zahl der Tötungsdelikte haarsträubend hoch. Der springende Punkt ist jedoch, dass sich kriminelle Aktivitäten weitgehend in vom Stadtzentrum entferntere Viertel verlagert haben und die wohlhabenden Quartiere mittlerweile (fast) frei davon sind. Trotzdem wurde mein Hostel, welches im wohlhabendsten und sichersten Quartier der Stadt liegt, im letzten Dezember nachts von bewaffneten Männern überfallen und ausgeraubt. Zwei Wochen vor meinem Aufenthalt wurde einem Reisenden um drei Uhr morgens in einem Park (selbst schuld...) die Brieftasche abgenommen. Shit happens! Der Korrektheit halber muss man aber auch anmerken, dass es seit der Wirtschaftskrise beispielsweise auch in den USA Städte gibt, welche nicht mehr ganz lupenrein sind (Detroit). Nichtsdestotrotz kann ich aber guten Gewissens sagen, dass ich mich in Medellín, mit einem normalen Lebensstil, nie unsicher gefühlt habe. So lange man sich der Umstände bewusst ist und das Risiko nicht sucht, würde ich Medellín als sehr sicher einstufen.

El Poblado, Quartier meines Hostels
Nach ein paar Tagen Aufenthalt nehme ich an einer Free Walking Tour teil. Das Prinzip besteht darin, dass die Tour grundsätzlich gratis ist und man am Schluss mittels eines Trinkgeldes so viel bezahlt, wie es einem Wert gewesen ist. Pablo, der Guide, erzählt uns viele interessante Dinge und Hintergrundgeschichten Kolumbiens. Besonders interessant finde ich diesen Platz:

Von einer Bombe zerstörte Botero-Skulptur
Die rechte Skulptur wurde vor circa zwanzig Jahren bei einem Bombenanschlag zerstört, 27 Menschen, vor allem Kinder, kamen dabei ums Leben. Die Regierung entschied sich, die Skulptur zu ersetzen und die alte zu entfernen. Botero weigerte sich aber und insistierte, dass auch die verbombte Skulptur als Mahnmal weiterhin bestehen müsse.

Strassenleben

Irgendwann reicht es auch für einen Besuch des Museo de Antioquia (Wikipedia Museo de Antioquia), welches vor allem für seine Botero-Ausstelung bekannt ist.

Jetzt wissen wirs endlich!

Boteros Interpretation von Pablo Escobars Tod

Auch ein Besuch von Guatapé (Wikipedia Guatapé) steht auf dem Programm. Dieser Ort ist noch relativ jung und wurde errichtet, als man die ganze Region zu Gunsten eines Staudamms zur Stromproduktion flutete. Guatapé ist ein bekanntes Wochenendziel kolumbianischer Touristen und bekannt für seine farbigen Häuser.

Besteigt man diesen Felsen...

...wird man mit dieser Aussicht belohnt!

Guatapé

Da ich nicht am Wochenende da bin, ist es ziemlich verlassen.

Das Wochenende verbringe ich bei einer Kollegin im nahegelegenen Städtchen Rionegro (Wikipedia Rionegro). Ausser ihr spricht die ganze Familie kein Englisch und so ist es wieder einmal Zeit, Spanisch zu sprechen. Mir werden alle möglichen Fragen über die Schweiz gestellt. Man weiss zwar, dass wir das Paradies auf Erden sind, jedoch weiss niemand, wo die Schweiz denn genau liegt!

Nach dem besagten Wochenende erreicht mich eine Nachricht meiner spanischen Kollegin, welche ich am nächsten Wochenende in Barranquilla besuchen will. Sie muss noch länger in der Dominikanischen Republik bleiben. Also gilt es, einen neuen Schlachtplan auf die Beine zu stellen. Ich nutze das frei gewordene Wochenende, um ein paar Freunde in Bogotá zu besuchen und fliege anschliessend von dort nach Cali. Von der drittgrössten Stadt Kolumbiens aus werde ich den Süden des Landes erkunden und anschliessend meine Kollegin in Pereira, in der Kaffee Zone, welche zwischen Cali und Medellín liegt, an Ostern treffen. Von Pereira aus nehme ich am Ostersonntag den Bus nach Medellín und fliege von dort aus nach Quito, Ecuador.

Am Freitag fliege ich also nach Bogotá und lasse Medellín vorerst hinter mir. Eine faszinierende Stadt, in der ich ohne Zweifel leben könnte. Ich freue mich auf ein Wiedersehen!

Dienstag, 5. März 2013

1.-4. März 2013 - Cartagena: Die Stadt, die mich nicht mag

Cartagena de Indias, oder einfach nur Cartagena (Wikipedia Cartagena). Diese Stadt ist wahrscheinlich der geschichtsträchtigste Ort ganz Kolumbiens. Einst durch unglaublichen Reichtum charakterisiert, ist sie heute zweifellos die touristische Hochburg des Landes. Zur Zeit, als die Spanier über Süd- und Mittelamerika herrschten und diese ausbeuteten, war Cartagena jeweils der letzte Stopp vor der Überquerung des Atlantiks. Dementsprechend wurden hier die ganzen Gold- und Silbervorräte zwischengelagert, bevor man sie nach Spanien transportierte. Dies war Fluch und Segen zugleich, da es die Stadt zu einem attraktiven Ziel für Piraten und andere Kolonialmächte machte. Aus diesem Grund bauten die Spanier mehrere Forts, um die Stadt sowohl von der Meer- als auch von der Landseite zu schützen. Trotzdem wurde Cartagena im Laufe des Kolonialzeitalters von den Franzosen und Briten angegriffen. Wer mehr über die spannende Geschichte und die heutige Situation der Stadt lesen möchte, klicke auf obigen Link.

Nunja, am Freitag Nachmittag komme ich also im Terminal de Transporte an. Einmal mehr der gleiche Ablauf; Rucksack anziehen, Taxi nehmen und zum Hostel der ersten Wahl fahren. Dort hat es zur Abwechslung sogar ein Bett in einem Dreierzimmer für mich, aber insgesamt gefällt mir das Hostel nicht wirklich. Es ist nicht wirklich sauber, wirkt alt und verfügt über keine einladende Atmosphäre. Am Abend gehe ich zum ersten Mal in die Altstadt, die Kamera lasse ich "zu Hause". Als ich durch den Torre del Reloj, den Haupteingang in die Altstadt Cartagenas, gehe, betrete ich eine andere Welt. Man könnte meinen, für diesen Ort hätte die Zeit stillgestanden. Wo man hinsieht, stehen alte Kolonialbauten in allen möglichen Farben. Der architektonische Charme Cartagenas ist definitiv erhalten geblieben und gleichzeitig der Grund für den blühenden Tourismus. Doch die Begeisterung währt nicht lange; bald werde ich ein erstes Mal von einer Prostituierten und kurz darauf von einem Drogendealer angesprochen. Leider bleibt es nicht bei diesem einen Mal. Während des ganzen Abends werde ich immer wieder als potentieller Kunde ins Auge gefasst, irgendwann nervt es einfach nur noch. Auch die vierstellige Zahl von Touristen, sie sind überall zu sehen, trübt den Abend. Nach ein paar Bieren gehe ich zurück, ich bin immer noch müde von der Busfahrt und gereizt von der in der Altstadt herrschenden Atmosphäre.

Am nächsten Morgen erwache ich eher früh. Neuer Tag, neues Glück! Ich will es ausnutzen, dass es am frühen Morgen noch nicht so heiss ist (das Thermometer überschreitet die 30 Grad Grenze scheinbar mühelos...) und mir die Altstadt noch einmal bei Tageslicht ansehen. Doch zuerst mache ich mich auf die Suche nach einem anderen Hostel. Die neue Unterkunft meiner Wahl ist für den heutigen Tag noch ausgebucht, doch morgen kann ich einziehen.

Das (international bekannte) Kongresszentrum Cartagenas


Torre del Reloj


Einer arbeitet, der Rest schaut zu ;-)

Altstadt



Und da sind sie wieder, die Touristen...


Gruppe 1911, mir nach!

Solche Kutschen sind ein beliebtes Fortbewegungsmittel der Touristen

Schön wäre es ja schon...

Ich bin mir nach wie vor nicht sicher, was ich von der Stadt halten soll. Einerseits verfügt sie über einen sehr schönen und vor allem gut erhaltenen kolonialen Baustil. Andererseits habe ich aufgrund des extremen Tourismus einen "Ablöscher", wenn ich überall nur Ü65-Reisegruppen sehe, in ihren typischen weissen Hemden, den sandfarbenen, kurzen Hosen und ihren Sandalen. Strauhut, überdimensionierte Kamera (selbstverständlich um den Hals baumelnd) und teuer Schmuck optional. Sie sind der Grund, wieso Cartagena zwar noch "wie früher" aussieht, aber alles andere als authentisch ist.

Während dem ich im Schatten bei einem kühlen Fruchtsaft zusehe, wie der Massentourismus seinen Lauf nimmt, wird mir klar, dass es einen gewichtigen Unterschied zwischen Reisen und Tourismus gibt. Ein Reisender will fremde Orte sehen und Kulturen erfahren und dabei wenn immer möglich nahezu "unsichtbar" sein, damit er das Umfeld, und somit dessen Authenzität, nicht stört. Ein Tourist auf der anderen Seite will seine Anwesenheit regelrecht zelebrieren und sich so selbst in den Mittelpunkt stellen. Es geht ihm gar nicht darum, eine fremde Kultur zu betrachten. Das einzige Ziel ist es, einen fremden Ort zu sehen und dabei wenn immer möglich den gewohnten, gehobenen Lebensstil aufrechtzuerhalten. Man besucht bekannte Restaurants und bleibt bei internationaler Küche (ausser die lokale Küche ist auch im Heimatland bekannt, denn dann will sich niemand diese Chance entgehen lassen) und trinkt international geachteten Wein. Man ist ja schliesslich in den Ferien und will sich etwas gönnen. Ein Tourist erwartet, dass man an seiner Destination auf ihn "wartet" und sämtliche Annehmlichkeiten für ihn vorbereitet. Seine Präsenz soll von den Einheimischen faktisch "gefeiert" und mittels möglichst vielen Bildern, mit eben diesen überdimensionierten Kameras, welche von 90% der Besitzer gar nicht richtig bedient werden können, festgehalten werden. Ein Tourist stellt sich selbst ins Zentrum einer Reise, während dem ein Reisender sich auf das Geschehen um ihn herum konzentriert. Auf jeden Fall bin ich froh, dass ich meinen Sprachaufenthalt in Bogotá und nicht wie zuerst geplant in Cartagena gemacht habe. Ich habe zwar in einer wesentlich internationaleren Stadt gelebt, dafür verfügt diese aber über eine Authenzität, was ich von Cartagena schlichtweg nicht behaupten kann.

Manchem Leser mag der vorherige Abschnitt als "Gejammer" oder einem "sich Beschweren" erscheinen. Dies deckt ein anderes Thema ab, welches mich in den letzten Tagen beschäftigt hat. Auf meiner Reise habe ich mittlerweile zu viele Personen getroffen, welche immer alles toll finden. Egal ob es sich um eine Mahlzeit, einen Ort oder einen Ausflug handelt, alles ist entweder "Awesome" oder "Absolutely incredible". Ist man ehrlich und gibt einmal zu, wenn einem etwas nicht passt, oder nicht den Erwartungen entspricht, wird man sofort als Nörgler oder Pessimist abgestemptelt. Selbstverständlich muss man seine Ansprüche in gewissen Bereichen anpassen und auch immer die Bedingungen in ein Urteil miteinbeziehen. Dennoch fangen mich Menschen an zu nerven, welche aus einem zwanghaften Optimismus heraus nichts kritisieren können oder wollen. Nur weil etwas nicht absolut-super-und-das-Beste-das-ich-je-gesehen-habe ist, heisst es noch lange nicht, dass es einem nicht gefällt oder keine gute Erfahrung war. Ich möchte meine Tage in Cartagena überhaupt nicht missen und bin froh über die Erfahrung. Es ist wieder ein weiteres Puzzle-Teil, welches meinen Horizont erweitert. Dennoch muss ich (zumindest) mir selbst gegenüber ehrlich sein und mir eingestehen, dass ich mir von Cartagena mehr erhofft habe. Wenn ich nun wie alle anderen von dieser Stadt schwärmte, als ob sie das Paradies wäre, was würde dies meinen Gesprächspartnern bringen? Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass alle meine bisherigen Gesprächspartner, alle haben von Cartagena geschwärmt, sich nie ab dem vorherrschenden Massentourismus gestört gefühlt haben oder gerne das Dreifache für ein Essen bezahlen. Doch niemand hat etwas derartiges auch nur ansatzweise erwähnt. Meiner Meinung nach gibt es einen Unterschied zwischen einem Realisten, welcher seine (sich nicht immer nur mit einer rosa Brille gebildete) Meinung auch offen zugibt, und einem Pessimisten, welcher alles als schlecht ansieht.

Am Nachmittag schaue ich mir den Stadtteil Bocagrande an. Diese Landzunge beinhaltet die meisten Hotels und Wohnhäuser und beherrbergt Cartagenas Strände. Da es während meines Aufenthaltes eher kühl und bedeckt ist, halten sich die Touristenströme in Grenzen. Ansonsten, so entnehme ich dem Internet, muss es aber Unmengen an Verkäufern haben, welche einem alles mögliche verkaufen möchten.

Mein Reiseführer sagt es richtig: "Bocagrande's beaches are mediocre at it its best."

Immerhin konnte ich dieses Stimmungsbild machen.
Am Abend nehme ich dann die Kamera mit, um ein paar Nightshots zu machen:

Torre del Reloj at Night

...und wieder sind die Touristen überall.

Bei einem Nachtessen schmiede ich dann den Plan für die nächsten Tage. Einerseits will ich mir noch das Castillo San Felipe de Barajas anschauen. Dieses ist das einzige heute noch bestehende Fort in Cartagena (siehe oben) und ein Meisterwerk spanischer Kriegskunst (Wikipedia Castillo San Felipe de Barajas). Andererseits will ich auch noch den Playa Blanca sehen, der angeblich schönste Strand der Region, welcher aber ausserhalb von Cartagena situiert ist.

Das Fort ist tatsächlich sehr eindrücklich. Für eine verhältnissmässige hohe Summe von fast zehn Franken wird einem Eintritt gewährt. Zugegeben, von aussen sieht es nach einem normalen Fort aus. Hört man sich aber die Geschichte dazu an und erfährt, dass das Fort beispielsweise über vier komplett voneinander abriegelbare Bereiche verfügt, welche alle separat eingenommen werden müssen, wächst der Respekt vor diesem Bauwerk. Es gibt schliesslich einen Grund, wieso das Bollwerk in mehreren Jahrhunderden nur einmal eingenommen wurde.

...ob es wohl noch andere Touristen hat?

Ohne Worte!

Castillo San Felipe de Barajas

Am Nachmittag versuche ich, einen Flug  nach Medellín, mein nächstes Ziel, zu buchen. Auf einer Preisvergleichs Seite werde ich fündig und buche einen One way-Flug für läpische 55 Franken. Würde ich nicht fliegen, müsste ich eine 18-stündige Busfahrt auf mich nehmen und erst noch mehr bezahlen. Kurz nach der Buchung erhalte ich ein Email, dass ich sie doch bitte anrufen soll. Ohoh! Der Herr kann leider kein Englisch und so erklärt er mir auf Umwegen, dass meine Kreditkarte nicht akzeptiert wird und ich deshalb auf einer Bank Bargeld abliefern müsse! Dies will wiederum ich nicht und so lasse ich die Buchung sausen. Auch auf der Website von Avianca, die kolumbianische Airline, kann ich mit meinen Kreditkarten keine Flüge buchen. So rufe ich einen kolumbianischen Freund an, damit er die Buchung für mich mit seiner "einheimischen" Karte erledigt. Sofort erhalte ich ein Bestätigungsmail, dass meine Buchung erhalten wurde und bearbeitet wird.

Am letzten Tag meines Aufenthaltes in Cartagena will ich mir wie bereits geschrieben den Playa Blanca ansehen. Es gibt zwei Möglichkeiten; ich kann ein teures Taxi oder die umständlichen "öffentlichen Verkehrsmittel" in drei Etappen nehmen. Ich entscheide mich für die zweite Option, schliesslich will ich ja etwas erleben. Nahe des Hostels stehe ich am Strassenrand und warte auf einen dieser besagten Collectivos. Irgendwann haltet ein Bus an und nimmt mich mit.

Fahrerkabine meines Collectivos

Ausserhalb der Altstadt, durchqueren wir einen Fischmarkt (riecht übel) und diverse Wohnquartiere der Einheimischen. Ich bin der einzige Ausländer in diesem von Einheimischen genutzten Transportmittel und werde regelmässig neugierig betrachtet. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich tatsächlich im richtigen Bus sitze, aber irgendwann würde ich das schon sehen. Da ich die Atmosphäre nicht zerstören und einmal mehr das Bild des ultimativen Touristen festigen wollte, habe ich die Kamera bewusst im Rucksack gelassen. Interessant war die einstündige Fahrt allemal. Plötzlich hält der Bus an, und der Fahrer meint, ich müsse hier aussteigen. Ich folge seinem Rat und stehe mitten im Nirgendwo. Sofort kommt ein kleines Mädchen zu mir und sagt, ich solle ihr folgen. Sie würde mir zeigen, wo ich die Fähre nehmen muss. Auch ihr folge ich mit viel Gottvertrauen und hoffe einfach, dass ich nicht verschleppt werde. Nach 100 Metern stehen wir vor einem kleinen Fluss mit diversen Booten. Das andere Ufer ist gut zu sehen, überall warten Männer mit Motorrädern. Nachdem ich realisiere, dass mich das Mädchen abzocken will und sowohl für die Fähre als auch das Motorrad-Taxi einen saftigen Zuschlag erhebt, frage ich bei einem anderen Mann nach. Er bestätigt meine vermuteten Preise und das Mädchen schaut ziemlich dumm aus der Wäsche. Am andern Ufer angekommen nehme ich ein Moto-Taxi und fahre ohne Helm, schliesslich sind wir in Kolumbien, in 20 Minuten an den Strand. Was ich dort antreffe, entspricht nicht ganz meinen Erwartungen. Laut Berichten sieht der Playa Blanca so aus:

So sieht es normal aus...
Und so habe ich den Strand angetroffen:

Playa Blanca, meine Version
Kein Schwein ist hier und alle Restaurants und Bars sind entweder nur geschlossen oder sogar geflutet. Das Meer ist eine richtige Bestie, überall liegt Treibholz herum. Offenbar herrscht irgendwo ein Sturm, dessen Auswirkungen auch hier zu sehen sind. Cartagena scheint es wirklich nicht gut mir mir zu meinen! Nachdem ich eine geöffnete Bar finde und etwas trinke, gehe ich nach nicht einmal einer Stunde Aufenthalt wieder zurück nach Cartagena. Auf diesem Ausflug war eindeutig der Weg das Ziel... Im Hostel  angekommen sehe ich ein Email, dass mein Ticket nach Medellín noch nicht verifiziert werden konnte, ich solle doch bitte anrufen. Nicht schon wieder! Mein Freund erledigt dies für mich, jedoch kann er dies erst am Abend tun. So erhalte ich um 8 Uhr abends endlich mein E-Ticket, welches mir das Verlassen Cartagenas ermöglicht.

Abschliessend habe ich das Gefühl, dass Cartagena alles unternommen hat, um mir nicht zu gefallen. Von niemandem habe ich bisher so negative Dinge gehört und allen, die den Playa Blanca besucht haben, kann ich mit diesen Bildern ein ungläubiges Staunen entlocken.

Weiterhin viel Spass in der Touristenhochburg, ich gehe nach Medellín!